Die basale Besiedlung des Archipels

Der Meeresspiegel während des Pleistozän, des Eiszeitalters, das gleichzeitig das Zeitalter menschlicher Entwicklung war, sank mehrmals so sehr ab, dass sich das heutige ostasiatische Festland bis auf das Indonesische Inselreich, den Sunda-Schelf, ausdehnte. Hainan und Taiwan waren mit dem chinesischen Festland verbunden. Alle zu überwindenden Meeresarme waren stark verengt. Auch die Inselwelt der Philippinen, viele Inseln der Wallacea (die Inseln um Sulawesi), sowie Neuguinea mit Australien bildeten zusammenhängende Landmassen.

Gerade der heutige Malaiische Archipel (Insulinde) war also während der Eiszeiten ein riesiger und klimatisch begünstigter Entwicklungsraum, der sich deutlich von dem der späteren mongolischen Völker unterschied.


SO-Asien ist durch Gebirge sowohl gegen Indien als auch gegen China abgeschlossen. Die trennende oder verbindende Funktion von Gebirgen kann durchaus kontrovers aufgefasst werden. Die Kultur- und Besiedlungsgeschichte SO-Asiens ist aber bis in die jüngste Vergangenheit eher durch die Korridore der Meeresküsten und die aneignende Wirtschaft der Küstenbewohner geprägt worden als durch die Wanderungen Hackbau betreibender Bergvölker.

Küstenbewohner der Niederen Breiten könnten schon seit zehntausenden von Jahren einen viel bedeutenderen Anteil an der Ausbreitung des Menschen und seiner Kultur gehabt haben als von der Geschichtsschreibung angenommen wird. Diese führt mehr oder weniger jede kulturelle oder geistige Entwicklung auf die kontinentalen Bauern und Viehhalter der meridionalen und nördlichen Breiten zurück.

Nach den Eiszeiten kam es allerdings durch den steigenden Meeresspiegel zur Isolation oft ziemlich kleiner Inseln und schmaler Küstensäume - nirgendwo stärker als in SO-Asien. Diese Verhältnisse riefen die planmäßige Seefahrt der Malaien hervor, die in geschichtlicher Zeit zum bestimmenden Einflussfaktor dieses Raumes wurde.



Tropisches Klima ist gerade in Tiefländern ungesund und schwer erträglich. Daher kann angenommen werden, dass auch die frühen Menschen die kühleren Berggebiete und die weniger humiden Klimagebiete bevorzugten. Allerdings waren in den Eiszeiten auch die tropischen Zonen einer Klimaänderung unterworfen, die offenbar geringere Niederschläge und damit die Ausbreitung offener Savannen auf Kosten des Waldes hervorrief.

Ich halte es für wahrscheinlicher, dass die meisten Einwanderer nach China den Weg entlang der Küsten des Sundalandes nahmen und auf diese Weise auch nach Australien gelangten, als dass sie die ausgedehnten Tiefländer dieser Landbrücken überquerten (oder gar den Weg über die Ausläufer des Himalaya nahmen). Jedoch dürfte die Landbrücken Südostasiens in der Eiszeit eine offene Savannen-Landschaft bedeckt haben, die für den Menschen ebenfalls zugänglich war.


Auf jeden Fall wäre an der Theorie festzuhalten, dass Seefahrt sowohl Sundaland als auch den später entstehenden Archipel schon immer erschlossen hat und nicht in China erfunden wurde.

Diese Überlegung könnte allerdings eine Zweischichten-Theorie, nach welcher die Küstenbewohner von einer sich entwickelnden kontinentalen Kultur oder Zivilisation überlagert werden, nicht völlig entkräften.

Es bliebe noch die Option, dass mit steigendem Meeresspiegel Inselbewohner isoliert und marginalisiert wurden, weil sie die Seefahrt nicht kannten oder verlernten. Waldläufer wie die Penan würden als Seefahrer wahrscheinlich scheitern.

Wahrscheinlicher ist dagegen, dass die Seefahrt gerade mit steigendem Meeresspiegel immer mehr perfektioniert wurde. Die großen Inseln Borneo und Neuguinea, auf welchen sich die kontinentalen Kulturformen der Dayak entwickeln konnten (vielleicht aber auch archaische Vorläufer), bilden eine Ausnahme.



Eine südostasiatische Küstenkultur

Besonders für die frühesten Zeiten ist zu bezweifeln, dass die beweglichen und teilweise nomadischen Seefahrervölker, die auch zu den ersten Händlern zählten, Bauernvölkern kulturell unterlegen gewesen sein sollten.

Im östlichen Asien wurde die neolithische Revolution viel stärker durch Küstenbewohner geprägt als in Westasien, obwohl auch am Mittelmeer die neolithischen Errungenschaften durch Bootsleute verbreitet wurden.

Und es ist gerade der Reis als Kulturpflanze, der im Gegensatz zu den westasiatischen Getreidearten den Sumpfländern südostasiatischer Küstentiefländer entstammt.

Der Reichtum an tropischen und subtropischen Nahrungspflanzen könnte hier eine planende Pflanzennutzung sogar schon lange vor der Domestikation von Getreide-Arten ermöglicht haben. Banane, Kokos- und Sagopalme, verschiedene Araceen, Fruchtbäume und das Zuckerrohr sind die tropischen Nutzpflanzen, die neben Fisch und Fleisch bis in das jetzige holozäne Zeitalter die Lebensgrundlage so mancher Volksgruppe gebildet haben.

Des Meeresspiegel erreichte um 3000 v.Chr. seinen bislang höchsten nacheiszeitlichen Stand. In Vorzeiten hatten sich die Menschen ähnlich wie in Nordwesteuropa auf dem flachen Gelände des Küstenschelfs aufgehalten. In Südostasien hätten sie sich von diesen tropischen Nutzpflanzen sehr viel besser als in Europa ernähren können, zu einem hohen Anteil auch vom Meer. Vielleicht entstand die Notwendigkeit des Pflanzenbaus erst beim Verlust der ausgedehnten Tiefländer an das Meer. Und vielleicht verbergen die Randmeere des Pazifik sogar die archäologischen Nachweise frühester Kulturen.






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