Information oder Kommunikation?
Das Internet als zeitgenössischer Stil der Selbstdarstellung offenbart, dass der Mensch anscheinend keinen Wert darauf legt, informativ zu sein. - Das galt schon für viele seiner künstlerischen Äußerungen wie sie sich beispielsweise in der schönen Literatur niedergeschlagen haben.
Es muss den Adressaten dieser Selbstdarstellungen - also uns - erlaubt sein, nach dem Sinn dieses ganzen lächerlichen Brimboriums zu fragen, das darüberhinaus verschiedentlich auch noch geradezu den Eindruck einer Drohkulisse erzeugt.
Ich stelle einmal zur Diskussion, dass wohl alle Nutzer/innen schon schlechte Erfahrungen mit der Informationstechnologie und ihrer Funktionalität gemacht haben.
Medien, Informationstechnologie und Internet erscheinen geradezu als Mobbing-Instrument, auch vor dem Hintergrund von Donald Trump mit seinem Twitter-Account.
Die Drohung, die von ihnen ausgeht, könnte aber auch ein eher technisches Problem sein und weniger purer böser Wille. Unter diesem Gesichtspunkt wäre Desinformation die Entropie eines im Niedergang befindlichen kybernetischen Systems.
Die Vorläufer der IT wurden als Kommunikationsmittel bezeichnet. Auch IT dient eigentlich als Kommunikationsmittel. In mancher Hinsicht ist die Herstellung von Kommunikation viel wichtiger als die Herstellung von Information.
Man kann Information als Teilbereich der Kommunikation auffassen, wie es auch hier unterschwellig geschieht. Kommunikation ist andererseits nur ein Teilbereich derjenigen Information, die die Realität als Ganzes vermittelt.
Kommunikation wäre nur die Information, die Lebewesen vermitteln, was nicht immer bewusst und durch Lautäußerungen geschieht.
Man kann Information aber auch als etwas Einseitiges, Aufoktoktroyiertes erleben, besonders wenn sie als politische Verlautbarung oder pädagogische Aussage auftritt.
Überhaupt ist Information möglicherweise etwas singulär-fugitives. - Die Überlieferung naturgemäß veralteter Informationen wäre demnach Mumpitz, und das auf dieser Information aufgebaute Wissen wäre ganz ohne Grundlage.
Der Transfer von Informationen über Medien ist eigentlich ein ziemlich neuartiges Phänomen - besonders, weil diese Informationen einem potentiellen Auditorium von Millionen zugänglich gemacht werden können.
Man vergleiche das Gegenbild traditioneller Informationen, die in individuellen Köpfen und Dickköpfen entstanden oder angesammelt wurden. - Oft wurde sie nur zu bestimmten Zwecken selektioniert, nämlich um religiöse Dogmen, politische Weltbilder und berufliche Erfolgsmuster zu erzeugen.
Gerade die Weitergabe und der Austausch wären geradezu das Gegenteil traditioneller Informationserfahrung, denn sie würden in diesem Kontext die Aufgabe des Dogmas, des Weltbildes, des Berufsgeheimnisses und der gesamten Persönlichkeit bedeuten.
Viele Gepflogenheiten und technische Einrichtungen des Internets stellen tatsächlich eine Schwächung der Persönlichkeit dar - sogar ihre Dekonstruktion und vielleicht sogar ihre Destruktion!
Die Erfahrung, dass Persönlichkeit häufig die Summe negativer Verhaltensweisen ist, insbesondere die der Abschottung, könnte dafür die Rechtfertigung liefern.
Wenn man seine potentiellen Urlaubsziele via Google maps betrachten will, trifft man oft auf eine derartige Überfülle von hyperinformativen Medien (Panoramafotos und minutiöse Straßenpläne der kleinsten Dörfer), dass man unwillkürlich etwas misstrauisch wird. - Welche dekonstruierten Persönlichkeiten liefern eigentlich diese abschreckende Datenfülle - in- oder ausländische Geheimdienste, notorische Miesmacher und Querulanten oder etwa Lokalpatrioten?
Man kann Information auch über ihre Aufhebung als Entropie definieren. Und eine Überfülle von Information führt zu ihrer Aufhebung!
Grundlegende Voraussetzung von Information ist folglich auch die aktive Interaktion, die aber in technischen Systemen immer in irgendeiner Form eingeschränkt wird.
Ein Maximum an Information - akkumuliert oder diffundiert - bedeutet Macht! Diese behindert aber die angestrebte, zu praktischen Transformationen führende Interaktion und damit die Information selbst.
Die wahre Information wäre damit wieder eigentlich die Kommunikation; und zu diesem Zweck sollten auch technische Informationsmedien eingesetzt werden. Man muss sich der Kommunikation bedienen, um informativ zu sein - und umgekehrt!
© Stephan Theodor Hahn, Bad Breisig, am 8.5.2020