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Ein neues Projekt zum Thema Technokratie und Desinformation



Information und Kognition


Ursprüngliche Information ist identisch mit der Realität. Damit ist die Information im Sinne von Wahrnehmung und Stoffwechsel gemeint, die beispielsweise ein Strudelwurm erhält, wenn er Strand und Meeresboden durchstrudelt.


Information ist die konstituierende Eigenschaft der Lebensprozesse. Das gilt nicht nur für die Prozesse der Wahrnehmung und Aneignung, sondern auch für die organismischen Strukturen selbst. Das kann darauf zurückzuführen sein, dass genetische Information im Gegensatz zu freien chemischen Verbindungen sehr gut geschützt und damit auch ziemlich dauerhaft (langlebig) ist. [Bartels 1986]

Allerdings spielt Information in weniger differenzierter Weise auch bei physikalischen und chemischen Prozessen eine Rolle.


Kennzeichnend für die Lebensprozesse der Organismen ist die selektive Verarbeitung von Information, also die Ausfilterung nützlicher Information (beispielsweise bei der Nahrungssuche). [Bartels 1986]
Diese Form von Informationsverarbeitung hängt mit Kognition zusammen.


David Eagleman weist auf den wichtigen Umstand hin, dass die mannigfaltigen Lebensformen dank ihrer grundverschiedenen Sinnesorgane am selben Ort ganz verschiedene Umwelten wahrnehmen: "In der blinden und tauben Welt der Zecke sind die wichtigen Signale die Temperatur und der Geruch von Buttersäure." [David Eagleman in: Brockman 2012]

Das relativiert den Wert der Kognition eines spezifischen Lebewesens, also einer Art.

Auch der Mensch kennt seine Umwelt eigentlich gar nicht. Beispielsweise umfasst der vom Menschen wahrgenommene Bereich "weniger als ein Billionstel" des elektromagnetischen Spektrums.


Schon den Alltag bedrückt die 'Kognitive Last' der Information, die jeden Augenblick unser Arbeitsgedächtnis beansprucht, aber nur in begrenztem Maße verarbeitet werden kann; immerhin sollen es 3 - 7 Informationseinheiten gleichzeitig sein. [Nicholas Carr in: Brockman 2012]

Die Notwendigkeit von Kognition als selektiver Informationsverarbeitung steht außer Frage.
Die Erwartungen an die Wirklichkeit unverfälschter Information könnten enttäuscht werden.


Zu einem bedeutenden Anteil ist Kognition mit Begriffen verbunden oder jedenfalls mit assoziativen Vorstufen zu diesen.

Das menschliche Bewusstsein ist leicht durch schon bekannte Signale zu beeinflussen, wie sie beispielsweise auf Smartphones etc. eingesetzt werden. Ich wage aber zu behaupten, dass diese künstlichen Signale immer noch eine geringere Wirkung entfalten als das Grün eines Waldes oder eines Gewässerufers.

Wahrscheinlich wird aber Bekanntes und damit alles, was mit der menschlichen (oder eigenen) Kultur - selbst in ihren negativsten Aspekten - zusammenhängt, positiver aufgenommen als Unbekanntes.


Dabei darf man die Realität der ursprünglichen Bedingungen nicht gering schätzen, da auch die menschengemachte Realität auf diese Bedingungen zurückzuführen ist.

Die Information, die man am Arbeitsplatz, im Internet, aber auch in seiner Privatsphäre erhält, bewegt sich allerdings auf einer anderen, indirekten Ebene der Realität, die sich womöglich nicht mit der naturwissenschaftlichen Realität verträgt - vielleicht nicht einmal mit der inneren Realität bzw. Identität des Menschen.

Die innere Realität wirtschaftlich erfolgreicher Menschen meint offenbar, in der besten aller Welten zu leben, die sie aber dank ihres Verhaltens in so etwas wie Nauru verwandeln.


Neuro-Experten behaupten, die menschliche Wahrnehmung sei gar nicht auf Realität geeicht, sondern auf die Synchronisation der Wahrnehmung mit zurückliegender Kognition: dadurch komme es zu einer sogenannten 'Bestätigungsverzerrung'. [Andy Clark in: Brockman 2012]

Informationsverarbeitung erfolgt mit Hilfe einer "Präferenzmenge" an durch Erfahrungen entstandenen Analogien und Wertungen, aber auch durch zufällige Stimmungen und Intuitionen. Derartige "Voreingenommenheiten" sind provisorisch und werden sich ständig an die neu erfahrene Realitäten anpassen. [Gerald Smallberg in: Brockman 2012]

Aber was ist, wenn sich diese Realität in einen stets gleich bleibenden Systemterror verwandelt hat?


Nach Daniel Kahnemann, dem Nobelpreis-Träger für Wirtschaft 2002, ist die 'Fokussierungsillusion' das Missverhältnis zwischen den Erwartungen, die man von einer Sache hat, und ihrem tatsächlichen Wert in Theorie und Praxis.
Fokussierungsillusionen werden permanent durch Werbung und Propaganda hervorgerufen; auch die Wissenschaft tritt gerne als Illusionskünstler auf.

Bildung oder Ausbildung gelten fälschlich als Voraussetzung höheren Einkommens. Doch ein hohes Einkommen verbessert das Wohlbefinden nicht in dem Maße, wie allgemein angenommen wird [Daniel Kahnemann in: Brockman 2012].

Unter den besonderen Bedingungen hoher Studiengebühren wie in den USA wäre Bildung allerdings Privilegierten vorbehalten und würde zweitens überwiegend der Ideologie der Privilegierten entsprechen.


Sowohl die 'Bestätigungsverzerrung' und Voreingenommenheit als klassischer Lernprozess, als auch die eigenen und indoktrinierten 'Fokussierungsillusionen' der Bildung müssen also eigentlich immer zur Frustration, zur Verzweiflung an der Wirklichkeit führen. Kognition ist Leiden!



Literaturangaben:

Andreas Bartels: Naturphilosophie. Paderborn, 1986.

John Brockman (Hg.): Was macht uns schlauer? - Die führenden Wissenschaftler unserer Zeit über neue Strategien, unser Wissen zu erweitern. Frankfurt, 2012.
- Gerald Smallberg: Voreingenommenheit ist, einen guten Riecher zu haben
- Daniel Kahnemann: Die Fokussierungsillusion
- Nicholas Carr: Kognitive Last
- Andy Clark: Prädikatives Kodieren
- David Eagleman: Die Umwelt



©  Stephan Theodor Hahn, Bad Breisig, am 25.10.2021