Unlängst habe ich meine ziemlich vollständige Sammlung der W.S. Burroughs - Machwerke in die Tonne transferiert. Wenig später habe ich mir noch einmal eine andere Jugendlektüre vorgenommen - den autobiografischen Roman "SPEED" seines Sohnes W.S. "Billy" Burroughs Jr..
(5.2.1914 - 2.8.1997)
Die Bücher des W.S. Burroughs wurden als zeitkritische und literarische Werke hochgelobt. Daher war "Naked Lunch" eines der allerersten Bücher, die ich von meinem Taschengeld kaufte. Doch schon aus zwei Seiten Lektüre musste ich die Lehre ziehen, dass es sich bei diesem Lob um die übliche überschwengliche Werbung für ein minderwertiges Produkt handelte.
Jenem spinnert-rabulistischen Text kann lediglich akribische masochistische und kriminalistische Feinarbeit irgendeinen Sinn und Gehalt abgewinnen. Daraus ergab sich aber immerhin der in der Geschichte wohl einmalige Fall, dass eine Literatur-Verfilmung (die irgendwann Anfang der 90-er Jahre in die deutschen Kinos gelangte) vieltausendfach besser war als die literarische Grundlage.
Leider habe ich damals "Naked Lunch" zwanghaft zu Ende zu lesen versucht - so etwa wie das Lateinbuch oder meine damalige ebenso unerträgliche Deutsch-Lektüre (Gottfried Kellers äußerst patriotisches "Fähnlein der sieben Aufrechten").
Und aus Mitleid und in der Hoffnung, dass es in der alternativen zeitgenössischen Literatur eine Entwicklung gäbe, habe ich mir auch spätere Burroughs'sche Neuerscheinungen zugelegt. Bei 'Zweitausendundeins' wurden sie als ebenso außergewöhnlich beworben wie die dort angebotenen Bildbände mit verwachsenen Pin-Up-Girls.
Burroughs Senior ist ein treffliches Beispiel dafür, dass die Literaturkritiker ebenso wie die Literatur-Konsumenten die ihnen in Massen vorgelegten Bücher nicht wirklich lesen (können).
Das liegt auch daran, dass revoltierende wie etablierte Verfasser eine lange Tradition besitzen, ihre Klientel in jeder Hinsicht zu kujonieren ("Publikumsbeschimpfung"). Auch Burroughs' Absicht scheint es gewesen zu sein, seine Leser auf jede erdenkliche Weise zu negieren, zu schädigen oder gar zu eliminieren.
Verlage oder Fans, die ihn drucken und verbreiten, machen sich dadurch zu Komplizen verbrecherischer Intentionen.
Mir ist die Vorstellung unerträglich, wieviel Lebenszeit wievieler Menschen durch die Lektüre dieses Hundsfotts sinnlos vergeudet worden ist oder noch vergeudet werden wird.
Außerdem gibt es bereits im "Naked Lunch" sogenannte 'Stellen' - also Inhalte, die beim Leser zu sexuellen Irritationen führen sollen. Nur handelt es sich hier um widernatürliche Handlungen an Minderjährigen ...
Im Grunde lebt offenbar die gesamte Belletristik von 'Stellen'. Das scheint sich auch der alternde Burroughs zu Herzen genommen zu haben, indem er sich mit der Zeit auf eine Pornografie übelster Sorte spezialisiert hat, die in ihrer charakteristischen Handschrift auch deshalb in die Tonne gehört, weil Burroughs sie penetrant mit Schusswaffen und Tötungsdelikten verquickte.
Auch sonst gab er den Hinterwäldler, der alles fickt oder auf alles schießt, was sich bewegt. Dieser Menschenschlag scheint die gesamte us-amerikanische Öffentlichkeit und Politik entscheidend zu prägen und deshalb staatstragend zu sein. Nur deshalb wurde seine politisch-künstlerische Existenz und Produktion im Gegensatz zu anderen, harmloseren gefördert.
Zweifellos war auch W.S.B. Senior ein Opfer... Man muss ihm zum Vorwurf machen, dass er sich von diesem Schicksal befreien konnte, indem er zum Täter wurde oder diesen zumindest mimte!
(21.7.1947 - 3.3.1981)
Burroughs Jr. wurde das Opfer dieser Ideologie und soll spätestens am Ende seines kurzen Lebens in offenem Konflikt zu einem Vater gestanden haben, der ihn von frühester Jugend an in äußerst prekäre Lebenslagen gebracht hatte. Es geht hier wie in jeder Biografie auch um einen Generationenkonflikt.
Noch eindeutiger als die Bücher seines Vaters handelt sein autobiografischer Roman "SPEED" von Drogen - und nur von Drogen. Der Erzähler schildert lapidar, wie er als Jugendlicher durch einen etwa dreiwöchigen Aufenthalt in New York auf Droge seine Zukunft und Gesundheit ruiniert - er wird gefixt !
Nach einem kurzen und wohl auch ziemlich unerfreulichen Leben endet er schon mit 33 Jahren in einem Straßengraben, indem er seine Leber und ein Leber-Transplantat auskotzt, während sein Vater ein hohes Alter von 83 Jahren erreichte und einen beschaulichen Lebensabend verbringen konnte.
Allerdings ist es von einigem Interesse, von w e l c h e r Droge der Junior in den 60er Jahren gefixt wurde - jedenfalls nach eigener Aussage. Nicht etwa durch das Heroin seines Vaters, sondern durch Methedrin.
Schon der kleine (oder ungeborene) Billy wurde durch die Speed-Abhängigkeit seiner Mutter beeinflusst, die auch während der Schwangerschaft nicht von ihrem Benzedrin-Konsum ("an inhaled amphetamine") abließ.
Seine Psyche mag auch durch Vorfälle mit Schusswaffen geprägt worden sein (Schuldkomplex). Als er knapp vier Jahre alt war, erschoss sein Vater angeblich versehentlich und in alkoholisiertem Zustand seine Mutter, ohne je dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Der Knabe wurde von seinen Großeltern in Florida aufgenommen, wo er selber später einen Gleichaltrigen durch ein Gewehr, das losging, schwer verletzte.
Der in seinem Roman geschilderte intensive Kontakt mit Amphetaminen führte offenbar zu einer starken psychischen Abhängigkeit, die er trotz (oder gerade wegen) eines langen Entzugs nur durch harten Alkohol bekämpfen konnte, der dann schließlich zu seinem Tod führte.
Die Ursache seiner verzweifelten Alkoholiker-Laufbahn kann natürlich auch auf die Auseinandersetzung mit dem Beruf (Agent), der literarischen Arbeit (Drogen-Propaganda) und der sexuellen Ausrichtung seines Vaters zurückzuführen sein.
Nach seinem New Yorker Drogen-Trip erhielt er offenbar die Chance eines Neubeginns in einer alternativen Summerhill-Schule, wo er auch seine spätere Frau traf. Doch konnte ihn diese Ehe nicht vom Griff zur Flasche abhalten.
Das tragische an der Biografie von W.S.B. Jr. ist, dass sie gleichzeitig der Flower Power - Generation angehörte, die mit dem Wahn der staatlichen und chemischen Machbarkeit Schluss machen wollte.
1966/67 - kurz vor dem Zeitpunkt der Romanhandlung - scheint in Amerika der Höhepunkt der Hippie-Welle erreicht worden zu sein, denn von da an versuchte die amerikanische Polizei, die Quellen der weichen Droge Marihuana trockenzulegen. Zur selben Zeit warnte Ken Kesey als Anhänger der psychedelischen Bewusstseinserweiterung mit LSD vor dem Ersatzstoff Speed, einem Substitut, das rasch den Tod bringe [Kirsch 1995].
"Flower Power" könnte auch der Deckname für eine Vertriebs-Aktion der CIA gewesen sein mit dem Ziel des Absatzes der Opiate südostasiatischer Verbündeter in den USA ...
Nach seiner Scheidung besuchte Billy Burroughs im Jahr 1976 seinen Vater und Allen Ginsberg in Colorado, wo er körperlich kollabierte. Zum Glück befand sich in der Nähe eine Spezialklinik, die nicht nur eine Zirrhose im Endstadium diagnostizierte, sondern auch zu den ersten Kliniken gehörte, die bereits Lebertransplantationen vornahmen.
Trotz seiner mühevollen Wiederherstellung scheint er weitergetrunken zu haben und stellte 1981 die Einnahme lebensnotwendiger Medikamente ein. Anfang März wurde er an einem Straßenrand in Florida aufgefunden und verstarb wenig später [WIKIPEDIA 2011].
Methedrin war ein Markenname für Methamphetamin, eine von mehreren Amphetamin-Formen. Synthetisches Amphetamin (- der Naturstoff stammte aus Ephedra-Pflanzen -) wurde in der Medizin benötigt, weil es die Lungenfunktion erleichtert; seit Anfang der 30-er Jahre gelangte daher 'Benzedrin' zum Inhalieren auf den Heilmittel-Markt.
Aber auch Amphetamin-Tabletten wurden für eine Vielzahl von Indikationen empfohlen. Insbesondere wurden sie in großen Mengen an die Armeen des Zweiten Weltkrieges verteilt, weil sie Hunger und Schlaf vertreiben und das Selbstbewusstsein stärken. Auch nach dem Krieg blieb ein hoher Prozentsatz der Japaner Methamphetamin-abhängig; in etwas weniger ausgeprägter Form galt dies auch für die Bevölkerung der USA und Deutschlands.
In den USA blieben Benzedrin und Methedrin lange Zeit leicht zugänglich. Amphetamine gehörten offenbar zur Nachkriegszeit wie Aspirin. Und ihnen scheint ein Teil der damaligen literarischen Produktion zu verdanken zu sein. Nicht nur Jack Kerouac, der Vorreiter der Beat- und Autofahrer-Generation, erwähnt sie häufig, selbst Heinrich Böll, Inbegriff des aufgeklärten deutschen Nachkriegsbürgers, bediente sich der Wehrmachts-Droge Pervitin beim Schreiben.
Übrigens soll die literarische Produktion Jack Kerouacs eher als direkte Umsetzung eines exzessiven Alkohol-Konsums in Text zu verstehen sein, wie Hans-Christian Kirsch behauptet, weil Kerouac andere Drogen nicht (mehr) vertrug. Diese Lebensweise verknüpfte er mit der prekär-kleinbürgerlich-faschistoiden Grundhaltung des Künstlers und resultierte in seinem frühen Alkoholiker-Tod im Oktober 1969 [Kirsch 1995].
Die zum Zeitpunkt der Handlung von "SPEED" konsumierten Amphetamine dürften schon illegal hergestellt worden sein.
Amphetamine sind relativ billig - der mittellose Billy Burroughs findet 3 Dollar auf der Straße und kann damit sich und seinen Kumpel einige Stunden mit Speed erfreuen, danach hält er sein wochenlanges Methedrin-High durch Verkauf auf Kommission aufrecht.
Amphetamine sind problemlos in der Produktion und damit die ideale Ware; in ihnen ist kein Fitzelchen Natur. Zu ihrer Produktion werden keine Anbauflächen, keine Bauern, keine weiteren Verarbeitungsschritte und kein Transit über Landesgrenzen benötigt, lediglich ein hilfswilliger Chemiker, sein Labor und wenige Ausgangsstoffe. Die amerikanischen Polizeibehörden vermuten, dass ein großer Teil des heute konsumierten illegalen Methamphetamins in Mobilwohnheimen produziert wird.
Der Preisvorteil der Amphetamine führt dazu, dass sie als Lückenbüßer konsumiert werden. Andere Drogen wurden mit ihnen gestreckt und verfälscht, insbesondere die Wunderpille LSD. Seinerzeit war ein berüchtigtes Amphetamin namens DOM = STP mit Langzeitwirkung im Verkehr, das sog. "schlechte Trips" und möglicherweise lebenslange Paranoia hervorrief.
Die zur Zeit gebräuchlichen MDMA = 'Extasy' und anderen Amphetamin-artigen Stoffe stellen einen relativ neuen Aspekt von pseudo-medizinischen Wunderpillen dar, obwohl die Figur des amerikanischen Chemikers Alexander Shulgin als Fürsprecher ihres psychiatrischen Einsatzes die direkte Verbindung zu der von Timothy Leary angestoßenen kalifornischen Szene der 60er und 70er Jahre herstellt.
Es ist vielleicht kein Zufall, dass in dem autobiografischen Roman "SPEED" auch ein Methedrin-Pusher namens Hans vorkommt, der davon träumt, mit Hilfe seines Vertriebs-Systems eine neue Nazi-Diktatur aufzubauen. (Solche totalitären Vertriebssysteme werden ja heute nicht nur von der Waffen- und Pharma-, sondern sogar in der Lebensmittel-Industrie und auf dem Saatgutmarkt aufgebaut.)
Der ursprüngliche Sinn von Drogen, als Heilmittel oder zumindest als Mittel zur kontrollierten Erzielung eines positiven Zwecks zu wirken, kann auch zu anderen Zwecken missbraucht werden.
Der bekannteste Missbrauch von Drogen ist, Einzelpersonen oder ganze Bevölkerungsgruppen ihrer Selbstkontrolle zu berauben, in Verwirrung zu stürzen oder von bestimmten zielgerichteten Tätigkeiten abzuhalten.
Eher ein Missverständnis ist es, Drogen als einen Service des Kapitalismus zu verstehen und zu konsumieren. Im feudal-sozialistischen Preußen wurde ja sogar versucht, Kaffee und Tabak als den Volkskörper zersetzende Gifte zu verbieten.
Ein Missverständnis ist auch, eine Drogenwirtschaft als relativ volksnahen Erwerbszweig zu propagieren, denn die Bauern profitieren als Rohstoffproduzenten am allerwenigsten vom Drogenhandel.
Die eigentliche Gefahr für Konsumenten stellen ohnehin sogenannte harte, d.h. suchterzeugenden Drogen dar, zu welchen vor allem weiterverarbeitete und konzentrierte synthetische Stoffe gehören, somit auch der hochprozentige Alkohol ...
Conversation "Addicts are," he said with finality, "as boring a bunch of people as I ever encountered. They've got this one track mind." "Scoring and fixing." "Drearily." I recall being told that they sat and stared at T.V. for hours. Burroughs sighed, "That they do. Billie Holiday said that she knew she was cured when she stopped looking at T.V." Dr. John Yerbury Dent, gone now these several years, was the one that William Burroughs says cured him of his addiction. Did it with apomorphine. Its chemical structure is very much like morphine but different enough that the nauseating [ekelerregend] effect is emphasized. But it isn't the nauseating effect that does the job, Burroughs says, but that it is a metabolic stabilizer. He doesn't understand why it hasn't been more widely used. [Gespräch von John C. Kramer, M.D. mit W.S. B. Sr. (Kramer JC. "William Burroughs: A Sketch." Journal of Psychoactive Drugs. Jan-Mar 1981; 13(1): 95-97.), online bei www.erowid.org ] |
Ein weit infamerer Drogenmissbrauch ist die Nutznießung der langfristig entstehenden körperlichen Abhängigkeit des Konsumenten durch Andere. Suspekt ist hierbei besonders, dass Menschen durch diese Abhängigkeit zu bestimmten Handlungen gezwungen werden könnten.
Schon Burroughs Sr. ruft in seinen Büchern allzuhäufig den sagenumwobenen Hassan i Sabbah an, der seine Anhänger angeblich mit dem Lockvogel Haschisch zu befohlenen Mordtaten verleitete. (Historisch handelte es sich bei diesem aber lediglich um den Begründer einer Ismaeliten-Dynastie, dessen Anhänger zur Verächtlichmachung als "Hascher" bezeichnet wurden.)
Von den aufputschenden Mitteln wie Speed, die die gesellschaftliche Funktion eines Hilfsmittels des totalen Krieges erfüllen mussten, unterscheiden sich andere Drogen erheblich - weil sie eine sedative oder gar halluzinogene Wirkung haben und dadurch das Kriegführen eher erschweren.
Am Fuße der Anden gibt es allerdings Indianerstämme (Jivaro), die seit vielen Jahrhunderten mit Hilfe der Visionen der halluzinogenen Pflanzen Banisteria und Nicotiana ihre eingebildeten Feinde ausfindig gemacht haben sollen, um sie später zu Schrumpfköpfen ('tsantsa') zu verarbeiten.
Der Einfluss, der Methedrin auf Burroughs Jr. hatte, kann als ein Menetekel für die allgemeine gesellschaftliche Entwicklung gedeutet werden.
Denn aufputschende Mittel, zu denen auch Kokain gehört, scheinen in den USA einen höheren gesellschaftlichen Rang zu besitzen als sedative und halluzinogene - man vergleiche nur die geringen Strafen gegen CIA- und Mafia-Mitarbeiter, die mit riesigen Mengen harter Drogen erwischt wurden, mit der drakonischen Bestrafung von Menschen im Besitz kleiner Marihuana-Mengen.
Immerhin durften aber die amerikanischen Soldaten in Vietnam in ihrer Freizeit ziemlich ungestört dem Marihuana-Genuss frönen, um dann ganz entspannt ihrer mörderischen Tätigkeit nachgehen zu können (- von ihrer guten Versorgung mit Opiaten ganz zu schweigen). Hier dienten Drogen also zielgerecht zur Beruhigung des Gewissensnotstandes.
W.S. Burroughs Sr. scheint in seinen frühen Büchern eine Nazi-Droge zu glorifizieren, eine von staatlichen Stellen verordnete Wunderdroge, die allerdings alles Elend und alle Sucht, die von Opiaten verursacht werden, wieder aufhebt. Der Senior gehörte ohne Zweifel noch der alten Schule an - der Generation, die glaubte, je mehr Chemie drin ist, desto besser ...
Er soll ja auch nach vielen Jahren Opiat-Abhängigkeit durch das vollsynthetische Apomorphin geheilt worden sein, das hierzulande nicht gebräuchlich ist und vor allem als Brechmittel eingesetzt wird. - Mit dem in Deutschland zur Heroin-Substitution verwendeten, ebenfalls vollsynthetischen Methadon wurden dagegen zahlreiche Todesfälle in Verbindung gebracht, wahrscheinlich weil die Dosierung bzw. die der zusätzlich konsumierten Opiate bei seiner Abgabe nicht ausreichend beachtet wurde.
Ein reglementierter oder diktierter Drogenkonsum, wie er im Dämmer seines Buchs "Naked Lunch" aufscheint, wäre die perfekte Grundlage einer totalitären Gesellschaft. In der aktuellen Realität hat sich aber herausgestellt, dass der Drogenkonsum durch die oberste Ordnungsinstanz des "normalen" Bürgers reglementiert wird, das Prinzip der Gewinnmaximierung, das seit den 80-er Jahren nicht allein von der organisierten Kriminalität durchgesetzt wurde, sondern auch von der Staatsdoktrin. Es ist also nur äußerlich eine anarchische Gesellschaft, die sich auf dem Drogenmarkt manifestiert, in Wirklichkeit ist es die Diktatur geldgieriger Klein- und Großbürger.
Drogen werden (von Abhängigen) hoch bezahlt und können dadurch zu einer wichtigen Schattenwährung werden. Wie Geld befreit ihr Besitz von Arbeit und kann als Machtmittel und Waffe eingesetzt werden. - Wenn eine ehemalige soziale Bewegung wie die FARC in Kolumbien sich heute mit Hilfe von Kokain-Labors finanziert, so büßt sie damit jede politische Glaubwürdigkeit ein.
Einen totalitären Aspekt erhält die Drogenproblematik, wenn sich staatsartige Organisationen der Drogen bedienen, worunter durchaus auch kriminelle und wirtschaftliche Netzwerke zu verstehen sind. - Besonders unerfreulich wird es allerdings, wenn es sogenannte zivilisierte Nationen unternehmen, das Freihandelsmonopol auf dem Drogenmarkt zu erreichen. Dies geschah bei den Opiumkriegen in China, wo England die gewaltigen Opiumernten der indischen Kronkolonie mit Gewalt absetzen wollte, dies geschah aber auch bei vielen Operationen der CIA, also zur heutigen Zeit.
Die Geschichte zeigt, dass das Engagement im Drogenhandel finanziell lohnend ist und großen politischen Einfluss garantiert. Ein gutes Beispiel war das Kuomintang-Regime und eine isolierte Kuomintang-Armee, die die Opium-Kultur des Goldenen Dreiecks begründete. ...
Modernen westlichen Geheimdiensten wird vorgeworfen, in ihrem Einflussbereich befindliche Gesellschaften dadurch kontrollieren und schwächen zu wollen, dass sie dort Opium-Derivate und andere Suchtmittel unters Volk bringen. Führend auf diesem Gebiet wurde die CIA, der Auslands-Geheimdienst der USA. Und man muss darauf hinweisen, dass die CIA damit vor allem den Drogenmarkt im Inland gefördert hat.
Man könnte gar argwöhnen, dass die CIA es unternommen hat, die Jugend der Welt durch die Verteilung von LSD von gesellschaftlichen Veränderungen abzuhalten.
In öffentlichen Äußerungen sah William Burroughs Sr. die Gesellschaft von einem Sucht-Virus bedroht. In den von Timothy Leary propagierten Modedrogen vermutete er ein Mittel der Manipulation - dabei ist allerdings bemerkenswert, dass Leary zuerst mit Psilocybe mexicana experimentierte, also einem Pilz, der im Gegensatz zu den massenhaft verbreiteten harten Drogen eine eher biologische Erfahrung vermittelt [Kirsch 1995].
Der dunkle (oder dumpfe) endlose Unsinn bestimmter früher burroughs'scher Texte ('Nova-Trilogie', 1962 - 65) soll so zu interpretieren sein, dass er die Infiltrierung durch extraterrestrische Viren, die die irdische Welt durch Drogen manipulieren, beschreibe - und die Abwehrkämpfe einer sogenannten Nova-Polizei dagegen.
Das ist allerdings ein für den Senior typisches Groschenheft-Szenario, kann aber wirklich nur mit viel gutem Willen aus diesen Texten abgelesen werden.
Burroughs Sr. soll sich als Agent oder sogar als Inspektor oder Supervisor der Nova-Polizei gesehen haben [Kirsch 1995].
Die Subkulturen der beiden Burroughs, Vater und Sohn, sind längst durch andere Subkulturen ersetzt worden - zunächst durch die Überschwemmung des Marktes mit Kokain, dann durch die Verbreitung neuer Amphetamin-Produkte. Es hat dabei durchaus eine Verschränkung mit dem Establishment gegeben, nicht nur durch die Einführung von Kokain bei Börsenhändlern und anderen Spekulanten, sondern auch durch das Doping im Sport.
Eine große Gefahr besteht darin, dass sich eine Techno-Szene etabliert, die glaubt, sich mit Hilfe der Eigenproduktion von synthetischen Designer-Drogen, zu denen ja auch bereits das LSD der 60er Jahre gerechnet werden muss, kriminellen und staatlich-totalitären Strukturen entziehen zu können.
Der häufige Gebrauch unbekannter vollsynthetischer Substanzen dürfte sich als gefährlicher Selbstversuch herausstellen. Schon die Unempfindlichkeit gegenüber den unerträglichen Techno-Sounds kann eigentlich nur als Zerstörung oder krankhafte Veränderung der normalen psychisch-neurologisch-physiologischen Konstitution verstanden werden.
Eine autonome Techno-Szene kann einer totalitären Kontrolle nicht entgehen, sondern übt selber mit unverhältnismäßigen Mitteln (durch Umweltbelastung und Belästigung) totalitäre Kontrolle aus.
Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass dieselben Kräfte des Staatsterrors, der Geheimdienste und des kriminellen Untergrunds nicht nur die Sowjetunion zerstört haben, sondern auch die Demokratie der USA.
Berüchtigt sind die Drogen-Experimente der CIA an Kriegsgefangenen und Krankenhaus-Insassen in den 40er und 50er Jahren.
Der Vorgang wurde durch die Verbreitung von harten Drogen in der sogenannten freien Welt beschleunigt - die Sowjetunion kannte nur den Wodka!
Auf der Drogenszene konnte die CIA, die übrigens selber zu einem hohen Prozentsatz aus harten Alkoholikern bestand, durchaus die Rolle des lieben guten Weihnachtsmannes spielen, der die guten Kinder mit guten Dingen versorgt (- die bösen Kinder aber viehisch umbringt!) ... Und weil auch gute Kinder einmal süchtig werden, hatten die Agenten der CIA natürlich eine verantwortungsvolle Aufgabe inne, nämlich ihre Sucht immer wieder mit genügend Stoff zu befriedigen.
Ein langjähriger Heroin-Abhängiger wie W.S. Burroughs Senior musste demnach zwangsläufig in Kontakt mit CIA-Agenten geraten, wie sie in seinen frühen Büchern häufig auftauchen - und er musste sich mit ihnen arrangieren. Wer könnte da behaupten, dass Burroughs nicht selber zum CIA-Agenten wurde, vielleicht sogar in hoher Stellung - etwa in der Propaganda-Abteilung ...
Die Geschichte der Subkultur des Drogenkonsums in den USA (das Umschwenken von weichen und sedativen Drogen zu harten und aufputschenden Drogen) zeigt, dass Regierungsinteressen wie im Fall des "Iran-Gate"-Skandals hierbei ihre Hände im Spiel hatten.
Daniel Hopsicker 2005 beschreibt einen Aspekt dieses staatsterroristischen Drogenhandels, in den Geschichtsbüchern kann man weitere Informationen finden - allerdings wahrscheinlich nur in linksliberalen Geschichtsbüchern ...
Unter CIA-Mitarbeitern scheint die Ansicht verbreitet gewesen zu sein, dass ihr Drogenhandel oder der verbündeter Juntas hauptsächlich Liberale und Linke schädigen werde. Da Geheimdienstler nur aus Patriotismus handelten (und des Profites wegen), würden sie sich des Konsums vornehm enthalten. Betrachtet man aber die Penetranz und Bestialität, mit der Militärs und Todesschwadronen ihre Ziele verfolgten, muss man schließen, dass sie wie andere Armeen vor ihnen auch selbst mit Drogen versorgt wurden.
Die Drogenkartelle Mexikos, deren systematischer Terror das Land seit Jahren heimsucht, rekrutieren sich zum größten Teil aus ehemaligen Militärs, so dass auch enge Beziehungen zu den aktiven Militärs nicht auszuschließen sind.
Noch in der jüngsten Vergangenheit wurden CIA-Flugzeuge vollgestopft mit Kokain aufgebracht, daher wird es wohl noch lange heißen:
BE A PATRIOT - GET FIXED !
William Burroughs jr.: SPEED. Köln, 1972.
Hans-Christian Kirsch (alias: Frederik Hetmann): On the Road - Die Beat-Poeten William S. Burroughs, Allen Ginsberg, Jack Kerouac. Reinbek, 1995.
Daniel Hopsicker: Barry und die Boys. Frankfurt/M., 2005.
WIKIPEDIA-Artikel "W.S. Burroughs Jr.", Stand: 21. August 2011.
© Stephan Theodor Hahn, Bad Breisig, am 10.10.2013