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Kapitalismus wählen (Zur Bundestagswahl 2009)


Erfahrungen mit der Politik

Was machen Politiker?
    Ihre politischen Ziele
Politik und Wirtschaft
    Steuersenkungen
Staat und Gesellschaft

Sind die Wahlen demokratisch?

Politische Richtungen
Die zur Wahl stehenden Parteien und ihre Programme
Politik der Medien
Was wählen?
Das Wahlergebnis
    Die Parteien im Einzelnen



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Nun ist sie wieder geschlachtet, die große Weihnachtsgans der Bundestagswahl, das wichtigste Ereignis des öffentlichen Lebens und der Medien - unser Alibi für gesellschaftliches und geistiges Totalversagen.



Erfahrungen mit der Politik


"Ehre der Obrigkeit und Gehorsam, und auch der krummen Obrigkeit!
So will es der gute Schlaf. Was kann ich dafür, das die Macht gerne auf krummen Beinen wandelt?"

Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra

[er legt diese Worte einem philosophischen Widerpart in den Mund]


Was machen Politiker?

Können als Politiker scheint darauf hinaus zu laufen, sich nicht für das Vernünftige zu entscheiden, sondern gegen das Vernünftige. Offenbar verleiht nur diese Praxis dem politischen Treiben den erforderlichen Nachdruck, denn schließlich ist Unberechenbarkeit eine häufig eingesetzte Methode sowohl, um Macht zu gewinnen, als auch, um Macht zu erhalten ...

Das Bewusstsein der Öffentlichkeit für das Unzulängliche, Provisorische der Politik darf getrost wach gehalten werden, denn daraus kann die Notwendigkeit weiterer Politik legitimiert werden.

Politiker tun also etwas, um ihren gut bezahlten Arbeitsplatz zu erhalten - und glauben, dafür keine Gewerkschaft zu benötigen.


Am 10.10.09 wurde mit fiskal-mathematischem Wortgeklingel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorgeführt, wie die Ministerinnen Schmidt und Wieczorek-Zeul, die ihre Direktmandate in Aachen und Wiesbaden an die CDU abgeben mussten, innerhalb ihrer "nur" etwa 20-jährigen Bundestags-Karriere einen Pensionsanspruch von schätzungsweise jeweils 2,5 Mio. Euro erreicht haben - ungeachtet der Bezüge während ihrer aktiven Zeit. - Wieviel Geld die vielen Hunderte und Tausende politisch genehmer Politiker verputzen oder verputzt haben, wird leider nicht erwähnt.


Politiker sind Funktionäre, da hilft kein Drumherumreden, Facharbeiter für Politik. Nachdem sie aber durch ihre Tätigkeit in den letzten Jahren die staatlichen Funktionen dekonstruiert haben, fragt man sich, wessen Funktionäre?

Anders als im bürgerlichen Lager, wo man schon vorher Karriere gemacht hat, sahen wohl gerade die SPD-Politiker in ihren Mandaten einen Arbeitsplatz, der aus innerer Notwendigkeit erhalten werden müsse.

Auch den Linken wird ihre Vergangenheit oder ihre Einstellung als Funktionär vorgeworfen, auch wenn sie nur politische Arbeit leisteten und leisten - möglicherweise bessere als die Funktionäre des Kapitals.

In meinem jugendlichen Umfeld in Westdeutschland war politische Arbeit eher unüblich, die Organisation in der Jungen Union wurde als das Verhalten von Karrieristen empfunden.


Ihre politischen Ziele

Bei vielen Politikern handelt es sich um Leute, die es lieben, anderen von früh bis spät auf den Füßen zu stehen und dabei pausenlos zu behaupten, sie seien diejenigen, denen man sich auf Grund ihrer überragenden Leistungen unterzuordnen habe.

In einem solchen politischen Selbstverständnis sind viele Ideen und Konzepte von vorneherein ausgeschlossen - so etwa Staatswesen, die sich ausschließlich der Gärtnerei, kommunitären Lebensweisen oder dem Buchdruck widmen anstelle einer imperialen destruktiven Technokratie, einer alles beherrschenden Marketingmaschinerie und einem permanenten Gesinnungsdrill.


Eigentlich sind die gängigen Formen der Politik, die von ihnen geförderte Technokratie und der von ihnen ausgelöste Krieg Selbstzweck, doch scheinen mit ihnen auch wirtschaftliche Vorteile verknüpft zu sein ...

Während man also in der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts noch koloniale und rassistische Kriege führen konnte, um Politik für ein Volk oder eine Nation zu machen, verlagerten sich die Kriegsziele in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts einzig und allein auf die Stärkung des Kapitals.


Ich meine, es ist eher den Politikern eine Mit- oder Alleinschuld an den gesellschaftlichen Verhältnissen zuzuschreiben als den Wählern - wenngleich unpopuläre Notwendigkeiten   n i c h t   durchzusetzen oder publik zu machen wohl eine der verbreitesten Formen politischer Misswirtschaft ist.


Soll durch den regelmäßigen Gang zur Wahlurne die eigene Verantwortung auf Politiker abgewälzt werden oder soll sie von den Mächtigen auf die Wähler abgewälzt werden?





Politik und Wirtschaft

In der Politik wird dezidiert der Wirtschaft der Vorrang vor gesellschaftlichen Ideen und Argumenten gegeben, aber unter Wirtschaft wird nicht das Haushalten verstanden, sondern das Verschwenden von Steuergeldern für immer fragwürdiger werdende Strukturen.


Was ist das Ziel der politischen Kaste? - W-W-W-Wirtschaftswachstum!

Dieses hat aber keinen positiven Einfluss auf die allgemeinen Lebensbedingungen! Warum ist es dann das Ziel der politischen Kaste? - Als integraler Bestandteil wirtschaftspolitischer Strukturen profitiert sie von ihm - auf legalem oder auf illegalem Weg!

Warum sollte sich aber die Bevölkerung dem Wirtschaftswachstum als alles bestimmendem und alles durchdringendem Dogma unterwerfen? - Weil es ein leicht zu formulierendes Dogma ist ... !

Außerdem müssen sich Politiker und ihre Zeloten so intensiv mit der Wirtschaft beschäftigen, weil sie nichts anständiges erlernen durften.


Die rot-grüne Koalition hat bewiesen, dass sie sich diesbezüglich in nichts von ihrem Widerpart unterschied. - Das erste, was sie sich beeilte, mit der Agenda 2010 in die Praxis umzusetzen, waren die Wirtschaftstheorien neoliberaler Propheten. Auch sie übernahmen die weltweit akzeptierte Grundprämisse aus Politik und Management, selber nichts zu tun und nicht in die gesellschaftlichen Prozesse einzugreifen, um die wirtschaftlichen Bedingungen zu verschlimmbessern und die Bevölkerung zu zwingen, sich an dieselben anzupassen.

In schlechter Erinnerung bleiben die Einführung von Minijobs und Arztgebühren, die Kürzung des Arbeitslosengeldes, sowie in der sich anschließenden großen Koalition die Erhöhung des Rentenalters auf 67 und das Sponsoring von Autohändlern. Die Grünen hielten es nicht für angebracht, zu dem letzten Sachverhalt auch nur einen Kommentar abzugeben.


Steuersenkungen

Parteien, deren politisches Programm sich auf Steuersenkungen beschränkt, dürften ihre gesellschaftlichen Aufgaben ziemlich missverstanden haben. Wie man in vielen politischen Tischgesprächen in den Medien (Deutschlandfunk) hört, zählen aber anscheinend tatsächlich manche Leute darauf, durch richtige Stimmabgabe flugs auch in den Besitz von mehr Geld zu kommen.

Es ist keine große Überraschung, dass politische Parteien Wähler damit anlocken, indem sie ihnen Geld versprechen. Der Augenschein spricht dafür, dass es für diesen Mittelstand tatsächlich einen ausreichenden finanziellen Pool gibt. Man argumentiert damit, dass die Steuergelder ja auch größtenteils aus diesem Mittelstand herstammen und nicht von irgendeinem Lumpenpack.


Durch Steuererleichterungen soll die Kaufkraft erhöht werden; das kann man durchaus als eine Form des Keynesianismus auffassen.

In neuester Zeit (nach dem dubiosen Zusammenbruch des Finanzmarktes als Geldquelle) konnte der aufmerksame Beobachter feststellen, dass der Keynesianismus inzwischen sogar für die Tycoone interessant wird. - Vor nicht allzu langer Zeit wurden Steuererleichterungen für Großverdiener noch als Anti-Keynesianismus verkauft: die gute Konjunktur sei nur der Leistung von Leistungsträgern zu verdanken, und nur Leistung, die sich bekanntlich in hohen Einkommen äußert, dürfe belohnt werden.

Angesichts fehlender Konjunktur wird der Keynesianismus nun als Option auch für Großverdiener, die keine Leistung erbringen, gesehen, schließlich wissen nur sie, wie man so richtig Geld und Ressourcen verschwendet. Deshalb waren Großverdiener in den USA schon seit langem die ersten Ansprechpartner für Steuererleichterungen.




Staat und Gesellschaft

Die Strategie des Egoismus und der Aggression sollte den Einzelakteur gerade in altruistischen Systemen, die keine Abwehrmaßnahmen entwickelt haben, am schnellsten zum Ziel führen.

Als solche Systeme könnten Demokratie und Sozialismus aufgefasst werden, wenn ihre Teilnehmer wehrlos gemacht wurden. Totalitäre Staaten oder diktatorische Regime beruhen dagegen a priori auf einer wehrlosen Bevölkerung.

In diesem Zusammenhang ist auch das Schreckgespenst der us-amerikanischen Republikaner von einer wehrlosen Bevölkerung gegenüber einer allmächtigen Zentralgewalt oder Weltregierung gar nicht so abwegig. Die UNO und die Parlamente in Brüssel und Berlin sind eigentlich so weit weg, dass der einzelne Wähler auch über die fragwürdigen Politiker-Gestalten in seiner Nähe kaum Einfluss auf sie nehmen kann.

Doch auch die anerkannte Vorgabe für diese Institutionen, nicht in die gesellschaftlichen Prozesse einzugreifen, sondern nur die Verantwortung und die hohen Gehälter zu übernehmen, garantiert eine wehrlose Bevölkerung.


Den Parteien als demokratischen Werkzeugen des Volkes zur Kontrolle der Institutionen wird von ihren Wählern meist Fachkompetenz und Handlungsfähigkeit zugeschrieben.

Warum sollten politische Forderungen wie die Senkung von Steuern, bloß weil die CDU/CSU sie vertritt, geeignete Maßnahmen zur Beseitigung von gesellschaftlichen Problemen sein? - Weil politische Kompetenz immer ausschließlicher auf der Makroökonomie beruht, die meiner Ansicht nach wissenschaftlicher Popanz ist: Die von den Regierungen gebilligten Transaktionen von Unternehmen und Finanzmärkten bewirken in der täglichen Praxis von wohl 99 % der Wähler überhaupt nichts gutes. Selbst wenn etwas von diesen großen Geldmengen unter die Leute kommt, hilft das wenig, wenn man sich nichts dafür kaufen kann.

Immerhin mag die Makroökonomie dem restlichen Prozent von Wirtschaftsfunktionären und Politikern über die Runden helfen. Wirklich skandalös wird es allerdings, wenn sich der politische Mainstream auf die Makroökonomie beruft, um die Bevölkerung von elementaren Rechten wie einer gewissen Grundversorgung, einer intakten und wenigstens partiell autofreien Umwelt und dem freien Zugang zu Bildung und Information auszuschließen.


Hier herrscht offensichtlich Verwirrung über die Definition von Wirtschaft und Gesellschaft. Auch die Wirtschaft hat sicher eine bedeutende gesellschaftliche Funktion; wenn sich Politiker aber ausschließlich als Förderer und Interessenvertreter dieses gesellschaftlichen Partialbereichs betätigen, dann machen sie die Wirtschaft zum totalitären Staat.

Bekannt ist die anarchistische Theorie, die Gesellschaft könne sehr gut ohne den Staat auskommen. Eine solche Ideologie macht aber nur dann Sinn, wenn man den Staat tatsächlich nicht als geeignet ansieht, gesellschaftlichen Bedürfnissen entgegen zu kommen.

Zweifellos können gewisse Formen der Wirtschaft gesellschaftlichen Bedürfnissen entgegen kommen; ich habe aber den Verdacht, das die nicht den Gewinnerwartungen entsprechen, die ausgebildete Ökonomen und das Finanzamt an sie stellen.

Leider waren Jahrzehnte lang marktradikale Tendenzen tonangebend, denen es gelang, Institutionen zu zerschlagen, die keine staatlichen, sondern gesellschaftliche - auch wirtschaftliche - Funktionen innehatten (ich denke da auch an die Wirtschaft an der Ecke).

Die marktradikale Lösung, für die es keinen Markt gibt, hat nur den einen Zweck, Privatinteressen vor gesellschaftliche Interessen zu stellen, die als sogenannte "Einmischung des Staates" gebranntmarkt werden. Zum Erreichen dieser Ziele wurden allerdings Parteiprogramme und staatliche Akteure mit großem Erfolg instrumentalisiert - auch bei dieser Wahl!


Ein großes Problem ergibt sich daraus, dass Teile der Gesellschaft ebensowenig wie des von Partialinteressen geleiteten Staates entweder nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, gesamtgesellschaftlichen Ansprüchen zuzuarbeiten oder auch nur zu entsprechen. Zu diesen gehören vor allem Politiker, die keine gesellschaftlichen Funktionen übernehmen wollen oder dürfen, sondern nur wirtschaftliche.

Damen in wechselnden Kostümen teilen uns mit, was wir zu denken haben - Dinge, die man auch aus den Absteigen von Junkies kennt: Jetzt, wo es ihr (der Wirtschaft) besonders schlecht gehe (ihr geht es schon seit 300 Jahren schlecht), müsse der Staat   u n b e d i n g t   helfen ... es sei aber doch wohl   u n a n g e b r a c h t , hier mit Regulierungen eingreifen zu wollen ...


Die schon im voraus zugunsten des Kapitalisten, mit dem anscheinend unheimlich viel Staat zu machen ist, ausgelobte Preisfrage soll heute lauten: wer kommt den gesellschaftlichen Bedürfnissen eher entgegen, der Kapitalist oder der Lumpenproletarier?

Ich glaube nicht daran, dass die Antwort lauten muss: der Kapitalist ...
Entweder, die Kapitalisten sind in der Minderheit, dann sind sie für die gesellschaftlichen Bedürfnisse nicht relevant, oder die Lumpenproletarier sind in der Minderheit, dann könnte der Zeitpunkt heranrücken, an dem die Belastung durch die Mehrheit von Kapitalisten zu groß für die Gesellschaft wird.


Zusammenfassend meine ich die Regel aufstellen zu können, dass Politiker nicht im Interesse der Wähler handeln oder die Erwartungen erfüllen, die diese in sie setzen, und dafür auch noch ein hohes Einkommen kassieren.

Daher Ehre dem Nichtwähler und ausdrückliches Lob. - In einer wirklichen Demokratie müsste es der Bevölkerung aber auch möglich sein, ausdrücklich nein zu sagen!

Eine andere Option wäre, die Stimme den Parteien zu geben, die noch nicht vollständig von Bonzen und Bourgeois dominiert werden. Mit Hilfe dieser Handlung könnte man eine wirksamere Umverteilung des Reichtums bewirken als mit allen Kirchenkollekten eines Menschenlebens zusammengenommen.






Sind die Wahlen demokratisch?


"Unter dem Leninschen System des 'demokratischen Zentralismus' wählten 25000 Bauern einen Delegierten in den Gouvernementssowjet und 125000 Staatsbürger einen Abgeordneten in den gesamtrussischen Sowjet, doch die Gesetze wurden nicht von den Delegierten, sondern vom Zentralkomitee der Partei ausgearbeitet und die Volkskommissare (Minister) für Wirtschaft und Politik vom Ausschuß des Parteivorstandes eingesetzt."

Augustin Souchy: Vorsicht Anarchist - Erinnerungen


Politische Richtungen

Kapitalismus ist zu einer Gesellschaftstheorie erklärt worden. Er ist ein Wirtschaftsmodell, vielleicht auch eine Lebensform für moralisch Abartige, aber noch kein Staatswesen.

Ähnliches gilt nun aber auch für den Sozialismus, wenn er auch nicht eigentlich als Wirtschaftsmodell vorgesehen war, und dem schon deshalb als Gesellschaftsform unbedingt der Vorrang zu geben wäre.

Die Idee unserer Vorfahren, dass der Sozialismus sich naturgemäß dadurch ausbreitet, dass seine Anschauungen von Person zu Person weitergegeben werden, hat sich auch der Kapitalismus zu eigen gemacht.

Allerdings haben die Staatslenker da ein wenig nachgeholfen, indem sie durch die Einrichtung des unüberwindbaren Faktums kapitalistischer Lebensverhältnisse einen Sozialismus im Keim zu ersticken suchten.

Im Osten Europas erlangte staatstragende Bedeutung die Idee, den Kapitalismus durch das unüberwindbare Faktum revolutionierter Lebensverhältnisse im Keim zu ersticken. - Auch dieser stalinistische Aspekt sollte als ein nie dagewesenes kulturelles Phänomen und sogar als eine beachtliche Leistung akzeptiert werden, die allerdings in der Realität auch in der Internierung oder Vernichtung beträchtlicher Teile der Bevölkerung bestand. - Aber, wenn man dort nicht nach der Größe des Bankkontos selektiert werden konnte oder nur negativ - wie dann ...?




Die zur Wahl stehenden Parteien und ihre Programme

"Ab durch die Mitte!" - Jeder für sich und Gott für uns Alle strebt zur bürgerlichen Mitte .. ! Die unglückliche SPD musste für diesen Anspruch mit hohen Stimmenverlusten bezahlen.

Wer es gar geschafft hat, als gutbürgerlich zu gelten, kann es sich leisten, gesellschaftliche Probleme beiseite zu schieben.

Es gibt sicher ebensoviele theologische wie teleologische Gründe, CDU und CSU zu wählen, und in der Geschichte fehlt es nicht an Beispielen, mit Hilfe der Theologie das Volk oder Andersdenkende von der Macht fern zu halten. Wenn die Wahl von Volksvertretern gerade in unserer pluralistischen Gesellschaft eine Glaubensfrage wird, warum nicht eine pseudo-religiöse Partei von Geschäftemachern wählen?

Oft genug träumte man in der Union laut davon, auch selbst so tough zu sein wie Guido Westerwelle und seine neoliberalen Kenntnisse.

Frau Merkel ist sicher eine größere Sympathieträgerin als es Herr Kohl war.


Vielleicht wegen ihr hat sich die SPD in der letzten Legislaturperiode endgültig als überzeugter Trittbrettfahrer des schwarz-gelben Blocks geoutet. Als Entschuldigung kann man allerdings geltend machen, dass ihr politisches Wohlverhalten zu großen Teilen durch die Vorgaben des EU-Parlaments diktiert wurde, das seit langem schwarz-gelb beherrscht wird.

Laut Oskar Lafontaine sollte man in der SPD und ihren bürgerlichen Strukturen die Ursache der Spaltung der Linken sehen - gestern und heute -, aber das ist wohl eher Kaderwelsch ...

In der SPD hat man erkannt, dass alle Menschen unseres Kulturkreises nach Bürgerlichkeit streben; aber auch in einer sozialdemokratischen oder sozialistischen Gesellschaft ist ein bürgerliches Leben möglich! Selbst die DDR war ein abschreckendes Beispiel von Bürgerlichkeit.


Wen wundert es, dass die FDP endlich einen großen Erfolg zu verzeichnen hat, wo doch die sogenannten seriösen Printmedien traditionell von Liberalen dominiert wurden, und seit langen Jahren auch von Neo-Liberalen ?
- Mich eigentlich doch ...

Aber Guido Westerwelle kann darauf hoffen, dass die Kurse jetzt wieder steigen und die Blase erst nach der nächsten Wahl wieder platzt. Die Menschheit darf aufatmen, dass er nicht Wirtschaftsminister wird, wie er immer gedroht hat.

Im Gegensatz zur CDU will die FDP nicht unbedingt mehr Arbeitsplätze schaffen.


Schwarz-Gelb war zwar schon die Koalition der ersten Stunde, nach der Großen Koalition unter Kiesinger (1966 - 1969) und vor der halben Ewigkeit der großen Bedrückung (sechszehn Jahre Kohl-Regierung) gab es aber 1969 - 1982 auch eine Koalition mit der SPD, die deswegen bemerkenswert ist, weil hier auch eine schwarz-gelbe Koalition bei schwächerer SPD-Opposition als die CDU sie dann bildete, die absolute Mehrheit gehabt hätte. - Damals standen die FDP und die SPD noch für Gedankenfreiheit, nicht für Neoliberalismus.


Nach dem Mauerfall 1989 reagierte die Bevölkerung nicht etwa mit ungeteiltem Zuspruch für die Regierungsparteien unter Dr. Kohl, sondern stärkte vorübergehend wieder die SPD, später dann Die Linke, während die Union mit der Zeit geschwächt wurde. Offenbar gab es auch in den östlichen Ländern viele Wähler, die lieber an den Idealen (oder praktischen Vorteilen) des Sozialismus festhielten als die der Kohl-Republik anzunehmen.

Sie erhielten Verstärkung von Oskar Lafontaine, der von der SPD-Führung verstoßen wurde, weil er den Luxus einer linken Gesellschaftspolitik vielleicht nie aus den Augen verloren hat. Er befürwortet eine Umlenkung der staatlichen Hilfsleistungen von den Unternehmern zu den Arbeitnehmern.


Bisher waren die Grünen meistens die einzige Partei, die konkrete gesellschaftspolitische Fragen angingen statt wirtschafts- und machtpolitische Treibjagden zu veranstalten.

Doch in diesem Wahljahr gehört ihnen der Preis für die abschreckenste Medienpräsenz und die abscheulichste Plakatwerbung. - Viel mag dazu das schlechte Essen in Berlin beigetragen haben.

Die FAZ [Mihm/ Peitsmeier, am 22.9.09] schreibt über Joschka Fischer, der dank seiner politischen Kontakte jetzt mit Beraterverträgen bei RWE und BMW das große Geld mache, neben dem Fotoportrait einer unsympathischen, in viel Fett ruhenden Person: "Als Realo hat er immer schon gegolten, als Macht-, aber auch als Genussmensch, international erfahren und respektiert, zu Hause geschätzt und geachtet."




Politik der Medien

Möglicherweise wird unser Eindruck von der politischen Realität durch die Medien völlig verzerrt!

Im Fernsehen wurden Bilder lanciert, in denen der Nachwuchs Wahlkampf für die CDU macht. Besonders Frau Merkel wurde als Sympathieträger der Kinder dargestellt. - Wer das glaubt, gehört sicher einer früh vergreisten älteren Jahrgangsstufe an, die allgemein auf Babys in Kinderwägen positiv reagiert.

Die Politik lebt aus den Medien. Wenn man einen Politiker außerhalb des ihm angepassten Umfeldes von Medienöffentlichkeit und einer schnell zusammengestoppelten phraseologischen Agenda fragen würde, warum man ihn wählen sollte, wüsste er sicher keine Antwort.


"Wo einst ragende Bäume den Dank der Erde zum Himmel hoben, türmen sich Sonntagsauflagen. Hat man nicht ausgerechnet, daß eine große Zeitung für eine einzige Ausgabe eine Papiermasse braucht, zu deren Herstellung zehntausend Bäume von zwanzig Meter Höhe gefällt werden mußten? Es ist schneller nachgedruckt als nachgeforstet."

Karl Kraus: Untergang der Welt durch schwarze Magie


Die Frankfurter Allgemeine Zeitung gilt als   d i e   Informationsquelle des gebildeten Mitteleuropäers - selbst in ihrer Eigenwerbung ...

Sie ist eine Zeitung, die es versteht, gelegentlich über ihre politischen Gegner diskreditierende Nachrichten zu streuen (und das leider manchmal zu Recht) ...; die sich aber vor allem ohne Unterlass bemüht, für Industrie und Unternehmertum zu klappern ("Wahlergebnis elektrisiert Immobilienbranche - An die neue Bundesregierung knüpfen die Interessenvertreter der Immobilienwirtschaft große Erwartungen" am 2.10.09).

Sie arbeitet mittlerweile wie Boulevardzeitungen überwiegend mit Überschriften, der Inhalt der dazugehörigen Artikel ist meistens gleich Null.

Infolgedessen stellt sich bei ihrer Lektüre die Frage nach dem eigentlichen Sinn von Nachrichten und dem Zweck der Berichterstattung:
Augenscheinlich geht es ausschließlich um Konjunkturen und in diesem Zusammenhang oft sogar nur um Schleichwerbung (man beachte die regelmäßigen Kolumnen der FAZ für Luxusautos).
Mich belustigt außerdem die Vorstellung, irgendein Leser könnte sich für die virtuellen Werte und Wertverluste bestimmter Unternehmen und Märkte wirklich interessieren, deren Veröffentlichung Hekatomben von Zellstoff verbraucht.


Ideologisch wird die Linke mit erfreulich inhaltsleerer Polemik in die Mangel genommen, in welcher der gelangweilte Gedanke an das eigene Bankkonto mitschwingt.

Mit dem ostdeutschen Sozialismus muss man natürlich hart ins Gericht gehen, doch müssen die Beträge des dunnemals verschwundenen SED-Parteivermögens im Vergleich zu den ungeheuren Summen, die just in der Gegenwart verschwinden, geradezu lächerlich klein gewesen sein ...


Wo früher Bajonette und Napalm eingesetzt wurden, um die Bevölkerung außer Gefecht zu setzen, verwendet man heute Informationsmüll. Auch Spam und Werbung unterdrücken kritisches Denken wirksamer als jede Zensur.





Was wählen?

Diese Erfahrungen haben uns gelehrt, dass man durch sein Wahlkreuz oder durch eine politische Meinung wahrscheinlich gar nichts oder lediglich noch mehr politischen Ringelpietz erreichen kann.

Daher könnte die beste Entscheidung sein, unter diesen Parteien, die alle demselben Diktat und Dünkel unterworfen sind, keiner den Vorzug zu geben und überhaupt nicht zur Wahl zu gehen.

Ich könnte mir auch die Utopie vorstellen, in einem glücklichen Land zu leben, in dem der Nichtwähler-Anteil die 50 % - Marke überschreitet oder noch höhere Werte erreicht.

Zur Zeit bietet sich aber das Bild einer Politik krimineller Ignoranten, die ihre staatlichen und gesellschaftlichen Aufgaben lieber der Wirtschaft überlassen, und die man besser nicht wählt, denn sie zu wählen wären ebenfalls nur Ignoranten im Stande ...

Warum dann trotzdem wählen? - Wenn man sich nach der Wahl wieder einmal vorhalten lassen muss, eben nicht regierungsfähig zu sein, dann hat man wenigstens die Genugtuung, auch nicht regierbar zu sein. Vielleicht ist das eher durch eine starke Opposition gewährleistet als durch einen hohen Nichtwähler-Anteil - vorausgesetzt, es handelt sich um eine echte Opposition ...


Das siegreiche Wahlbündnis will die Finanzmärkte stärker kontrollieren - das ist in der Tat wohl die wichtigste gegenwärtige Aufgabe der Politik. Ob der Wähler damit aber die richtigen Parteien beauftragt hat, ist anhand ihrer Vorbelastung stark zu bezweifeln. Taubheit für den verzweifelten Wunsch der Menschheit nach einer Verkürzung des Programms, Armen dadurch zu helfen, dass man den Reichen gibt, ist garantiert.

Man ist gegen einen gesetzlichen Mindestlohn, will aber sittenwidrige Löhne verbieten; wo ist da der schwerwiegende Unterschied?

Die Zeitung schreibt [Andreas Mihm/ Konrad Mrusek in der FAZ, am 22.9.09], angeblich seien alle Parteien in Deutschland über die Grundfragen des Umwelt- und Klimaschutzes und über seine Eignung als Beschaffer von Arbeitsplätzen einig. Man höre nur deshalb so wenig von der praktischen Umsetzung dieser lebenswichtigen Projekte, "weil sich die Parteien mit diesem Thema kaum noch profilieren können ..."




Das Wahlergebnis

Von den 62 Mio. Wahlberechtigten gingen 18,1 Mio. (29,2 %) nicht zur Wahl.

Ungültige Stimmen (habe ich überhaupt die Zweitstimme angekreuzt?) gab es 0,64 Mio. (1 %).

Außerparlamentarische Kleinparteien wählten 2,6 Mio. (4,2 %) der Wahlberechtigten.

Laut "Infratest Dimap" verhielten sich Wechselwähler folgendermaßen:
-- Von der SPD wurden 1,64 Mio. enttäuschte Nichtwähler, 0,78 Mio. begeisterte Linke, 0,71 Mio. grün und 0,62 Mio. bürgerlich (CDU).
-- Von der Union gingen 1,1 Mio. zur FDP, 0,92 Mio. wurden Nichtwähler.


Wenn man unter bürgerlich nur versteht, immer das zu sagen und zu wählen, was die anderen auch sagen und wählen, dürfen sich nach der Wahl zur bürgerlichen Mitte (CDU/CSU) 14,7 Mio. (23,7 %) und zur großbürgerlichen Elite (FDP) 6,3 Mio. (10,2 %) der Wahlberechtigten zählen.

Als nicht bürgerlich müssen sich 40,5 Mio. (65 % - in Worten fünfundsechzig Prozent !) der Bürger Deutschlands empfinden (Nichtwähler, SPD, Linke, Grüne, Kleinparteien), von welchen aber SPD und Grüne schon bewiesen haben, dass sie bürgerlich sind.

Als Feindbild des Bürgers (und das teilweise zu recht) bleiben also nur noch die Linken und die Kleinparteien (7,8 Mio. Wähler oder 17,9 % der gültigen Stimmen).


33,9 % der Wahlberechtigten gehören der neuen Regierungskoalition an, 31,9 % der Opposition. Linke und Grüne sind gemeinsam so stark wie die SPD.


Die Parteien im Einzelnen

Den Wahlsiegern ist es wieder einmal gelungen, die Schuld für die hauptsächlich durch sie selber verursachten Wirtschaftsprobleme voll und ganz auf die SPD abzuschieben. Vielleicht bedeutet das Wählervotum: sollen sie die Suppe doch selber auslöffeln, die sie uns eingebrockt haben.


Auch die Union erlitt insgesamt leichte Verluste, während sie in den östlichen Bundesländern zugewann. Der größte Teil dieser Stimmenverluste ging auf Kosten der CSU: "In Bayern büßte die CSU im Vergleich zur vergangenen Bundestagswahl mehr als 600000 oder 15 Prozent der Stimmen ein." [Daniel Deckers in der FAZ, am 29.9.09]

Während man bei der letzten Wahl noch in beinahe jedem zweiten Wahlkreis Bayerns die absolute Mehrheit erreichte, blieb diese der CSU diesmal eigentlich nur im immer noch florierenden Wallfahrer-Ort Altötting erhalten. Unter den Kandidaten konnte bei den Bayern nur Karl-Theodor zu Guttenberg mit 68,1 % im Stil von Einparteiensystemen abräumen.

Mit Sorge werde gesehen, dass nun vier lange Jahre ohne jede Wahl bevorstehen - offenbar sieht man sich hier als eine Partei der Prediger und Volksredner, die den Wahlkampf brauchen.


Die SPD (23 % der Zweitstimmen) wurde durch ein vernichtendes Wählervotum entgegen ihren Wünschen von der bürgerlichen Mitte ausgeschlossen. Überdurchschnittlich hohe Verluste erlitt die SPD besonders in Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vorpommern. Dort halbierte sie nicht nur ihren Stimmenanteil zugunsten von Linkspartei und CDU, sondern sie wurde dadurch auch von der stärksten Kraft zur drittstärksten - ein in seiner Deutlichkeit kaum zu überbietendes Veto des Wählers gegen die in Hessen bewiesene Ausgrenzung gesellschaftspolitischer Konkurrenten.

Viele ehemalige SPD-Wähler (1,6 Mio.) blieben zu Hause! "Wer sich dafür entschied, dürfte am ehesten unter den fast 67 Prozent der Deutschen sein, die der Aussage zustimmen, die SPD habe ihre sozialdemokratischen Prinzipien aufgegeben." [Daniel Deckers s.o.]

SPD wurde noch gewählt in Ostfriesland, Bremen, Süd-Niedersachsen, Nord-Hessen (so auch in den Universitätsstädten Kassel und Marburg), im Ruhrgebiet, irgendwo in Rheinland-Pfalz und in den Universitätsstädten Bonn und Freiburg.


Die FDP erlebte das beste Wahlergebnis in ihrer Geschichte. "Mit einem Stimmenzuwachs um etwa 30 Prozent und einem Stimmenanteil von 14,6 Prozent (plus 4,7 Prozentpunkte) wurden die Freien Demokraten mehr als doppelt so stark wie die CSU." [Daniel Deckers s.o.] Die wird sich traditionell mehr über diesen Koalitionspartner freuen als über den alten.

Dieser Stimmen- und Popularitätszuwachs der FDP ging aber auch auf Kosten der Union, die 1,1 Mio. Wechselwähler an sie verloren haben soll.


Die Linke wird stärkste politische Kraft in Sachsen-Anhalt und erhält im Bundestag im Vergleich zu den Grünen ein besonders großes Gewicht durch zahlreiche Überhangmandate.


"Im 17. Bundestag sitzen 622 Abgeordnete, acht mehr als zu Beginn der vorherigen Wahlperiode. Die größten Zugewinne hat die FDP-Fraktion, die von 61 auf 93 Mitglieder wuchs. .. Die Linksfraktion ist von 54 auf 76 Abgeordnete gewachsen, die Grünen von 51 auf 68 und die CDU/CSU-Fraktion von 226 auf 239. Die SPD-Fraktion zählt nur noch 146 Abgeordnete, 76 weniger als bisher."

www.tagesschau.de, am 27.10.2009


Es gab eine Zeit, in der "man" nicht wählte, weil die Parteienlandschaft und Politik zu altbacken erschien! Sie hob sich unschön von der Popkultur ab. Heutzutage versuchen die "ollsten" Parteien und Medien, sich gezielt durch eine verquere Jugendsprache und ein ebensolches Design als Hoffnungsträger der Jugend zu profilieren.

Dass deren Interessen aber dem Wahlergebnis diametral entgegen stehen, ergibt sich zumindest aus den Ergebnissen einer Probewahl noch nicht Wahlberechtigter, der "Jugendwahl U18":
Interessant ist, dass die SPD bei den Jugendlichen vorne liegt; hier liegt die CDU erst auf dem dritten Platz und die FDP auf einem der letzten noch hinter der Piratenpartei, die allerdings möglicherweise das Zeug einer Jugendorganisation für die FDP hat. [FAZ, am 24.9.09]

Dem steht eine Bewertung des angeblichen Wahlverhaltens der Jungwähler (!) gegenüber, dass diese der FDP verhältnismäßig oft ihre Stimme leihen.



finis






©  Stephan Theodor Hahn, Bad Breisig, am 28.10.2009





Thema Umwelt