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Aus der Welt des Totalitarismus







Aggressionstriebe nach Erich Fromm

Erich Fromms "Anatomie der menschlichen Destruktivität" von 1973


Man kann Aggression als eine außerordentliche, pathologische Erscheinung verharmlosen; andererseits wird das dem Problem der im Alltag allgegenwärtigen aggressiven Ideologien, tätlichen Angriffe oder gar Kriegshandlungen nicht gerecht.

Zweifellos wurde dieses Buch als psychologisches Plädoyer für den Frieden unter dem Eindruck des Vietnam-Krieges geschrieben.

Ich halte das Werk nach wiederholtem Studium aber nicht für sehr empfehlenswert, da es eher ein umständliches Ausloten menschlicher Natur ist, ohne ihre Mängel wirklich erklären zu können.
Erich Fromm tut es nicht unter 2 - 5 Seiten, schon wenn er zu einem eher schwachen Argument gelangen will. Aber Präzision war noch nie die Stärke von Psychoanalytikern!


Fromms mitunter unrealistische Grundannahmen äußern sich beispielsweise in der Behauptung, Tiere würden "nur selten Angehörige anderer Arten töten" [Fromm 1977, Teil II-6].
Natürlich ist gerade die Tötung anderer Arten zu Subsistenzzwecken in der Tierwelt besonders weit verbreitet und besonders grausam.

Eine Anomalität ist hingegen die innerartliche Aggression des Menschen. Vielleicht kann man sie aber nicht getrennt betrachten von seiner außerordentlichen Aggressivität gegenüber der Umwelt.

Fromm befasst sich ausschließlich mit der Aggression von Menschen gegen andere Menschen. Ihm hätte auffallen müssen, dass die Angemessenheit anderer Arten im Umgang mit ihrer Umwelt und anderen Spezies (ihre ‘instrumentale Aggression’) sich in menschlichen Gesellschaften seit frühester geschichtlicher Zeit zu einer Art Krieg entwickelt hat, zu einer hysterischen Aggression.
Fromm weist aber auf den destruktiven Charakter der Zivilisation hin.


Ich befasse mich hier nur mit Fromms Triebanalyse, und klammere seine Analyse psychopathischer Destruktivität zunächst aus.



Was verursacht Aggressionen?


Man kann 'schädigende Akte' allgemein als Aggression bezeichnen.

Defensiv ausgeführt, können solche Akte dem eigenen Überleben dienen.

Auch Erich Fromm will solche Akte des Überlebensinstinkts mit dem Begriff Aggression versehen, worunter er aber eine “gutartige” Aggressivität versteht.


Aggressive Abwehrreaktionen werden als Instinktauslösung bei Bedrohung erklärt. Dabei könnte man außer der unmittelbaren Bedrohung des Lebens vielleicht als weitere Bedrohungen miteinbeziehen die der Nahrungsgrundlagen und der sexuellen Reproduktion.

Eine solche Bedrohung könnte sich auch infolge sehr dichter Populationen ('Crowding') entwickeln.
Zu denken gibt die Beobachtung, dass 'Wut und Aggression' erst die allerletzte Reaktion auf Bedrohungen darstellen, die häufigere Reaktion aber einfach 'Angst und Flucht' sind, die zuverlässiger dem Selbsterhalt dienen. [Fromm 1977, Teil II-5]


Zu den Theorien der Psychologen waren bis dahin noch keine "neurophysiologischen Äquivalente" gefunden worden [Fromm 1977, Teil II-5]. Die "angeblichen hypothalamischen Zentren" für instinktphysiologische Antriebe waren noch nicht genau lokalisierbar oder standen stets mit anderen neurologischen Prozessen des Gehirns in Verbindung.
Durch Einwirkung beispielsweise von Elektroden auf bestimmte Gehirnzonen konnten allerdings Zorn und aggressives Verhalten ausgelöst oder gehemmt werden.


Konrad Lorenz hatte eine quasi physikalische Trieb-Hypothese vertreten und glaubte, dass Mensch und Tier von Aggression als permanenter Triebenergie gelenkt werden, die "nicht notwendigerweise das Resultat einer Reaktion auf äußere Reize" ist, sondern das Resultat ("Explosion") eines inneren Drucks [Fromm 1977, Teil I-1].

Aggression wäre in dieser Sichtweise ein bloßer Reflex, eine gewalttätige Menschheit die zu erwartende Normalität, ein gewaltloser Umgang der zufällige Gnadenakt geborener Verbrecher.

Laut Konrad Lorenz sucht der Mensch nach Reizen oder erfindet sie sich sogar, um seine aufgestauten Aggressionen abzureagieren, beispielsweise politische Parteien.



Ausleben von Aggression

Es ist anzunehmen, dass nicht nur Thomas Hobbes an 'Krieg als dem natürlichen Zustand des Menschen' glaubte, sondern auch die europäischen Entdecker und Eroberer seiner Zeit.

Auch Konrad Lorenz habe an dieser traditionellen Konzeption festgehalten, dass primitive Menschen in ständigem Kampf und Krieg miteinander lebten.

In der Kontinuität dieser Tradition stimmten sowohl Freud als auch Lorenz "darin überein, daß es ungesund ist, wenn die Aggression sich nicht in Aktion umsetzen kann" ... [Fromm 1977, Teil I-1]


Es hat auch nicht an Ideologien gefehlt, dass friedliche Gesellschaften verändert werden müssen, um ihren Mitgliedern Gelegenheit zum Ausleben des Aggressionstriebes zu geben. Von diesem pseudomedizinischen Befund aus wurde die Empfehlung sogar auf die "Bedürfnisse" von Nationen oder Rassen übertragen [Fromm 1977, Teil I-1].

Allerdings hat es fast immer einen erzwungenen Anlass und auslösenden Reiz für Aggressionen gegeben, den Krieg.

Anstatt die Reaktion auf einen Kriegsausbruch auf eine rationale Ursache zurückzuführen, begründete Lorenz sie mit vormenschlichen Trieben: "nicht der geringste Zweifel bestehen kann, daß die kämpferische Begeisterung des Menschen sich aus einer gemeinschaftlichen Verteidigungsreaktion unserer vormenschlichen Ahnen entwickelt hat" (in: "Das sogenannte Böse - Zur Naturgeschichte der Aggression" 1963).


Dann wäre Krieg nichts anderes als eine Konditionierung oder Gelegenheit zur Aggression. Es gäbe nach einem solchen Auslösungsreiz also keinerlei Raum mehr für Rationalität.
Einzige Abhilfe wäre, dass eine ohnehin schon allgegenwärtige Aggression und regelmäßige Kriege den notwendigen Triebstau verhinderten. Erst auf eine solche Weise käme es "nur noch" zu rein rationalen Handlungen der Aggression ...


Konrad Lorenz hat als Gegenmittel zu seiner "unausweichlichen" Triebexplosion der Aggression empfohlen, diese "an Ersatzobjekten abzureagieren", vor allem, den sportlichen Wettstreit zu suchen statt eines kriegerischen Wettstreites [Fromm 1977, Teil I-1].

Wenn man der Triebideologie nicht folgt, könnten aber sportliche Wettkämpfe ebenso wie der Krieg selbst vielmehr als Maßnahmen verstanden werden, Aggressionen erst anzustacheln, selbst bei denen, die keine aktiven Teilnehmer sind.


Fromm hielt die Lorenzschen Theorien einer instinktiven Aggression und ihrer "Eigenschaft, sich selbst aufzuladen" für unhaltbar [Fromm 1977, Einl.].

Sein eigenes Konzept von einer spezifisch menschlichen 'Destruktivität und Grausamkeit' formuliert er aber inkongruent: einerseits seien diese Verhaltensweisen biologisch nicht angepasst, andererseits dienen sie auch keinem rationalen Zweck, ihre Befriedigung sei aber "lustvoll".

Sie entsprängen dann weniger einem planvollen Kalkül als völliger Gedankenlosigkeit.


Es hat zwar viele aggressive Populationen und Gesellschaftssysteme gegeben, doch auch solche eines geordneten, friedlichen oder sogar glücklichen Zusammenlebens.

Sowohl die zeitgenössischen Verhaltensforscher Freud und Lorenz als auch die klassischen Dogmatiker versagten anscheinend bei der Erklärung dieses Unterschiedes.

Warum sollte Aggression eine unausweichliche Triebexplosion sein, und nicht vielmehr eine durch Lernen bedingte Reaktion auf Reize und Erfahrungen, beispielsweise ausgelöst durch permanenten Mangel, Dichtestress, womöglich aber auch durch permanente dogmatische Aufstachelung?



Formen der ‘defensiven Aggression’

'Defensive Aggression' wird als eine Form der biologischen Anpassung gleichzeitig einer Sphäre der Erklärbarkeit zugeordnet, da sie dem Überleben und damit der Evolution dient.


Auch der Freiheitswillen sei "eine biologische Reaktion des menschlichen Organismus".
Ein Hinweis darauf mögen der gelegentliche Terror oder die “Revolutionen” von Kindern und Kleinkindern sein, die im Zusammenhang mit ihrer Machtlosigkeit auch zu Verhaltensauffälligkeiten führen können [Fromm 1977, Teil III-9].
Im Unterbewusstsein jedes Menschen soll noch das "revolutionäre Potential" seiner Kindheit verborgen sein.

In der Politik dient die Propaganda von einem "Kampf um die Freiheit" (wie überhaupt die Propaganda von einer defensiven Aggression) nicht selten der Versklavung. [Fromm 1977, Teil III-9]


Bei der 'konformistischen Aggression' wird die aggressive Tat direkt durch Konsens veranlasst, entweder durch destruktive Handlungen einer Gruppe (Jugendbande oder Soldatentrupp) oder durch die destruktive Handlung auf Grund eines Befehls [Fromm 1977, Teil III-9].


Unter 'instrumentaler Aggression' versteht Fromm beispielsweise das Verhalten von Raubtieren, um sich eines Beutetieres zu bemächtigen; dieses Verhalten ist eine angeborene neuronale Anpassung.
Fromm begründete Kriege mit einer "instrumentalen Aggression der militärischen und politischen Eliten" [Fromm 1977, Teil III-9] und rechtfertigte damit auch selber quasi im Schulterschluss mit Konrad Lorenz sowohl Krieg als auch Gier als adaptives Verhalten.


Fromm definiert eine 'Aggression der Selbstbehauptung' im Zusammenhang mit dem männlichen Reproduktionsverhalten, das durch die männlichen Hormone verursacht werde, um den Sexualakt durchzusetzen [Fromm 1977, Teil III-9].

"Ein zorniger und feindseliger Zustand" störe das Reproduktionsverhalten. Auch Zorn sei aber im Gegensatz zum Sadismus eher der 'defensiven Aggression' zuzurechnen.

Die 'Aggression der Selbstbehauptung' ist natürlich biologisch förderlich. Sie erleichtere nicht nur das Überleben der Art, sondern auch das eigene Überleben.

Dadurch werde das sadistische Bedürfnis reduziert, während "eine autoritäre Atmosphäre in Familie und Gesellschaft, wo die Selbstbehauptung mit Ungehorsam, Angriffslust und Sünde gleichgesetzt wird", sadistische Verhaltensweisen sogar herausfordert.




Destruktivität als Todestrieb


'Biologisch nichtadaptive, bösartige Aggression' stellt ein Risiko für das Überleben dar [Fromm 1977, Teil III-9].

Aggression im Sinne eines destruktiven, nichtadaptiven Verhaltens sei bei Frauen nicht seltener als bei Männern.


Sigmund Freud habe nach seinen anfänglichen Theorien vom alles beherrschenden Sexualtrieb diesem "seit den Zwanzigern" einen ebenso mächtigen 'Todestrieb' zugesellt [Fromm 1977, Einl.].

Freud habe in dieser zweiten Phase der Theoriebildung einfach die Instinkte Selbsterhaltung und Sexualität mit Leidenschaften wie Liebe und Destruktivität vermengt.
Erich Fromm will nun diese destruktiven Leidenschaften aus der Freud'schen "Zwangsehe mit den Instinkten" befreien ...

Die Destruktivität wird so vom unterbewussten Freud'schen Antrieb zur Kopfgeburt oder zum Hobby einer Gesellschaft von Geisteskranken.

Es gibt immerhin die Alternative, sich als Antwort auf existentielle Bedürfnisse auch einmal "lebensfördernden Leidenschaften" zu widmen [Fromm 1977, Einl.].


Es besteht eine dringende Notwendigkeit zur Analyse der Destruktivität der menschlichen Gesellschaft.
Die "instinktivistischen Theorien" von einer "phylogenetisch programmierten, angeborenen" Aggressivität dienen vielleicht nur dazu, die Schwierigkeiten und unbequemen Wahrheiten einer solchen Analyse zu umgehen [Fromm 1977, Einl.].


"Seit den Zwanzigern", also vor hundert Jahren, entwickelten sich "behavioristische Theorien" im Widerstreit zum 'Instinktivismus', wonach 'Emotionen und Leidenschaften' im Gegensatz zum Kalkül für das menschliche Verhalten eher irrelevant seien. Die heutige Menschheit sei eher "zerebral orientiert". [Fromm 1977, Einl.]

Bösartige Aggression könnte also als überlegtes Verhalten zu interpretieren sein, Erich Fromm sieht in ihr jedoch ein “Verbechen der Leidenschaft”.


Instinkte sind "Antworten auf die physiologischen Bedürfnisse des Menschen", "im Charakter verwurzelte Leidenschaften" sind "Antworten auf seine existentiellen Bedürfnisse" [Fromm 1977, Einl.].


Als angeborene physiologische Antriebe ('organische Triebe') bleiben Ernährung, Sexualität, sowie als Konfliktantwort Kampf (als die ‘defensive Aggression’) oder Flucht.

Von ihnen abzugrenzen wären im Charakter wurzelnde Antriebe ('nichtorganische Triebe') wie etwa Narzissmus ("das Streben nach Liebe und Freiheit") und Destruktivität (Sadismus und Masochismus). [Fromm 1977, Teil I-3]
Aggression als "Destruktivität und Grausamkeit" wäre in diesem Sinne kein Instinkt, sondern eine Leidenschaft, um "dem Leben einen Sinn zu geben".

Der Sadismus ist der "leidenschaftliche Drang nach unbeschränkter Macht" über ein anderes oder allgemein alle anderen Wesen [Fromm 1977, Einl.]. Schon die überlieferten Psychologien von den Griechen bis Spinoza befassten sich mit menschlichen Leidenschaften und nicht mit Instinkten.


Fromm bringt die menschliche Gier mit der 'instrumentalen Aggression' des Lebensunterhalts in Zusammenhang. Im Gegensatz zu dieser ist Gier aber keine angeborene Anpassung, sondern "eine der stärksten, nicht instinktiven Leidenschaften" des Menschen [Fromm 1977, Teil III-9].

Ebenso wie nicht-adaptive Aggression überhaupt kann man Gier vielleicht durch ein unterbewusstes, übertriebenes Bedürfnis nach Kontrolle erklären und die moderne Konsum-Gesellschaft durch einen entsprechenden Kontroll-Konsensus.


Narzissmus

Eine häufige Quelle von Aggression sei verletzter Narzissmus.

Nach Sigmund Freud ist Narzissmus eine Form der Schizophrenie, wenn die betroffene Person keine libidinöse Beziehung zur Außenwelt aufbauen kann und die Libido statt dessen dem Ich zuführt.

Es gebe aber auch einen 'primären Narzissmus' der frühesten Kindheit, wenn noch keine Beziehung zur Außenwelt vorhanden ist. [Fromm 1977, Teil III-9]

Narzissmus gehört in den 'Bereich vitaler Interessen', so dass seine Verletzung niemals verziehen wird. Narzissmus kann aber auch auf das nahe Umfeld übertragen werden wie etwa auf das eigene Auto.


Ein Thema für sich ist die enge Beziehung zwischen dem Narzissmus von Berühmtheiten oder Politikern und ihren Anhängern. Offensichtlich projiziert das Publikum seinen eigenen Narzissmus auf diese.

Gruppennarzissmus transferiere Phantasien in Realität und zwar durch einen allgemeinen Konsensus, der "sich nicht auf vernünftige oder kritische Überlegungen gründet" [Fromm 1977, Teil III-9].
In der Politik ist die Förderung von Gruppennarzissmus das beste Mittel, Kosten und Mühen zu sparen.
Fromm weist auf die intensive Feindschaft hin, die auch durch Verletzung des Gruppennarzissmus hervorgerufen werden kann.



Denken als Interessensphäre

Es scheint Faktoren zu geben, durch die sich das Aggressionsverhalten des Menschen von dem des Tieres unterscheidet.

L. von Bertalanffy hat in einem Gutachten festgehalten, dass "die gefährlichsten Erscheinungsformen der Aggression" aus den "symbolischen Welten" menschlichen Denkens entstehen [Fromm 1977, Teil III-9].


Die neurophysiologisch begründete 'defensive Aggression' des Menschen sei "vielmals größer" als beim Tier, weil dieses nur eine direkte Beziehung zur Realität besitzt, die Realität des Menschen aber zusätzlich beispielsweise durch "das Medium der Sprache" geprägt werde [Fromm 1977, Teil III-9].


Die Menschheit hat darüber hinaus ihren 'Bereich vitaler Interessen' stark ausgeweitet.

Insbesondere wird auch ein Orientierungsrahmen von Ideen zu diesen Interessen hinzugerechnet. Oft werden auch fremde Ideen als drohende Gefahr angesehen.

Beispielsweise beschäftigen sich "Politiker und Generäle" fast ausschließlich damit, drohende Gefahren zu berechnen oder sogar auch dort heraufzubeschwören, wo sie "in Wirklichkeit nicht vorhanden sind" [Fromm 1977, Teil III-9].

"Systematische Propaganda" löse aber dieselbe "biologische Reaktion" aus wie eine reale Gefahr.

Angst wird eben nicht nur durch die äußere Realität, sondern auch durch die innere Vorstellungswelt ausgelöst.
Aggression sei “eine der wirksamsten Möglichkeiten”, sich von diesen Ängsten zu befreien.


In den 'Bereich vitaler Interessen' gehört auch der aggressive Widerstand gegenüber der Wahrheit über die wahren Beweggründe einer Handlung bestimmter Menschen. Es handelt sich also vorwiegend um Menschen, die etwas zu verbergen haben.



Destruktivität der Zivilisation

Die als Instinkt akzeptierte 'defensive Aggression' wird normalerweise durch einen Einzelimpuls ausgelöst. Unter den Lebensbedingungen einer dichten Population könnten sich diese Impulse zu einer Art Dauerstress summieren.
In Zivilisationen werden die Bedingungen einer Überfüllung ('crowding') geschaffen, und von destruktiv-aggressiven Kulturen weitere Konstellationen, die Aggression erzeugen.
‘crowding’ und die Interaktion mit anderen Menschen könnten aber auch eine abmildernde Wirkung auf aggressive Affekte haben.


Entgegen der allgemeinen Vorstellung, dass nur der Naturzustand frei von Repressionen sei, wird nicht selten argumentiert, dass erst die Aggression der kulturellen Interaktionen den "Zustand der Freiheit" darstelle [Fromm 1977, Teil III-9].


Gerade die moderne menschliche Gesellschaft erweckt den allgemeinen Eindruck, dass "zerstören um des Zerstörens willen" ihr Ziel sei [Fromm 1977, Teil III-9]. Noch präziser wäre jedoch die Aussage, dass ihr Ziel die Zerstörung des Naturzustandes sei.
Vielleicht hofft diese Gesellschaft darauf, dass sie damit ihre Selbstzerstörung hinauszögert ...

Unter "bösartiger Aggression" ist nach Fromm eine spezifisch menschliche Verhaltensweise zu verstehen, nämlich 'Destruktivität und Grausamkeit' als Instrument der "absoluten Kontrolle".

Der Grad der Destruktivität unterscheidet sich je nach Gruppe, Gesellschaft oder Sozialstruktur, und er wachse mit der Fortentwicklung der Zivilisation [Fromm 1977, Einl.].

Auch nach diesem Autor sind Zivilisation und Ökonomie also entscheidende Faktoren der Destruktivität. Demnach wären sie auch Manifestationen der Dummheit und Gedankenlosigkeit; sie werden unter bestimmten Umständen gewissermaßen die Institutionen der Dummheit und Gedankenlosigkeit.

Im Allgemeinen wird argumentiert, Zivilisation sei eine sinnvolle Einrichtung, um direkte Gewalt zu verhindern, doch sie ist gleichzeitig Äußerung dieser Gewalt.


Fromm schreibt, der "Geist der Nekrophilie" als Überwindung der Natur durch Maschinerien habe sich im "Futuristischen Manifest" des F.T. Marinetti von 1909 niedergeschlagen [Fromm 1977, Einl.].
Die Maschinerien der Zivilisation sollen allerdings gerade vor der Vergänglichkeit der Natur schützen, nur leider ohne die Wiedererstehung oder Regeneration, wie sie in der Natur normalerweise vorprogrammiert ist.

Paradebeispiel der Nekrophilie ist die zivilisatorische Extraktion fossiler Energien; die Nutzung der Sonnenenergie wäre dagegen nicht nekrophil.

Es wird auch gutgläubig der Leitsatz verbreitet, dass Wohlstand und Luxus dem Aggressionsabbau förderlich seien, dabei aber vergessen, dass der Weg zu ihnen häufig durch Akte der Aggression freigemacht wird.

Ein Problem ergibt sich aus der Tabuisierung der Zivilisation; es ist gewissermaßen tabu, sie für Gewalt, Destruktivität und Krieg verantwortlich zu machen.




--> Fortsetzung des Textes --->




©  Stephan Theodor Hahn, Bad Breisig, am 11.6.2024